Gina vom Gehrensee

Dissidenz in der Doggenzucht
Definition:

Dissident bedeutet soviel wie "Andersdenkender" oder "Systemkritiker".
Dissidenten trennen sich grundsätzlich von einer dominierenden Hauptrichtung ab. Sie versuchen als Opposition neue Wege zu gehen.

Zur Bildung einer Dissidenz kommt es immer dann, wenn ein vorhandenes System für neue Entwicklungen zu unbeweglich ist.


Dissidenz in der Hundezucht:

Dissident als Hundezüchter bedeutet in Deutschland außerhalb des VDH zu züchten.
Der "Verband für das Deutsche Hundewesen" (VDH) kontrolliert als Monopolist die deutsche Hundezucht mehr oder weniger komplett.
Immerhin hat sich bereits das Bundeskartellamt mit diesem Problem befasst. Die Frage war ob der VDH durch seine Monopolstellung am deutschen Markt für Rassehundewesen gegen kartellrechtliche Vorschriften verstößt.
Im Jahre 2002 wurden vom Bundeskartellamt begründete Zweifel angemeldet:
  • wegen dem Zuchtverbot für Hunde ohne VDH/FCI-anerkannter Ahnentafel
  • wegen dem Ausstellungsverbot für Hunde ohne VDH/FCI-anerkannter Ahnentafel
  • wegen dem Ausstellungsverbot für Mitglieder des VDH auf Ausstellungen der Dissidenz
  • wegen der Nichtregistrierung von Hunden ohne VDH/FCI-anerkannter Ahnentafel
Um einem erheblichen Bußgeld zu entgehen, wurden die zuchtbuchführenden Vereine vom VDH angewiesen u.a. für solche Fälle ein Register in ihren Zuchtbüchern einzuführen. (Quelle: Schreiben vom 31. Juli 2003 des 1. Vors. des VDH Uwe Fischer an die Mitgliedsvereine)
Immerhin handelte es sich bei den oben genannten Verboten um den Sachverhalt einer institutionellen Diskriminierung.
Trotz der Weisung des VDH an dessen Mitgliedsvereine, die oben genannten Punkte demokratisch zu regeln, ist es zu keiner Annäherung gekommen.

Zum Beispiel hat der VDH seinen Züchtern weiter untersagt Deckakte mit Hündinnen, die nicht der FCI angeschlossen sind, durchzuführen. Durch diese Maßnahme soll die Monopolstellung gefestigt werden. Ob das eine Diskriminierung im Sinne einer Herabwürdigung ist sei dahingestellt.
Da ich aus eigener Erfahrung die Zuchtbasis des VDH kennengelernt habe, umgehe ich den VDH-Einfluss im Genotyp bei ausländischen Deckrüden.
Übrigens denkt die Deutsche Polizei auch nicht viel anders, wenn sie den Deutschen Schäferhund als Diensthund durch den Belgischen Schäferhund (Malinois) ersetzt.
Arroganz und Ignoranz haben allerdings dort ein Ende, wo der rechtliche Status einer deutschen Behörde anfängt. Niemand würde auf die Idee kommen die Deutsche Polizei zur Dissidenz zu zählen weil sie die Qualitäten eines Belgischen Schäferhundes dem Markenzeichen des VDH "Deutscher Schäferhund" vorzieht.

Was die Züchter außerhalb des VDH (Dissidenz) anbetrifft, so legt kaum jemand Wert darauf beim VDH auszustellen. Die Befürchtung das die Diskriminierung verschleiert fortgesetzt wird ist nicht ganz unbegründet.
Immerhin ist eine Registrierung in den Zuchtbüchern der VDH-Mitgliedsvereine für die Züchter der Dissidenz nicht notwendig. Es werden eigene Zuchtbücher geführt.
Darüber hinaus werden eigene Hundeausstellungen veranstaltet.
Sollte nicht genügend eigene Konkurrenz vorhanden sein, kann jederzeit auf FCI-Ausstellungen außerhalb des Einflußbereiches des VDH zurückgegriffen werden.
Mit einer Diskriminierung deutscher Dissidenz ist im Ausland weniger zu rechnen. Es scheint so zu sein, dass einige EU-Zuchtvereine ebenfalls ganz bewusst auf deutsche Ausstellungsrichter verzichten.

Was Dissidenz der Definition nach nicht ist:

Dissidenz in der Hundezucht hat demnach nichts mit Vermehrung, Dilettantismus oder Schwarzzucht zu tun.
Ganz im Gegenteil. Es geht darum neue Wege zu gehen, um zu besseren Zuchtergebnissen zu kommen.
An Hand der nachfolgenden Beispiele kann man entnehmen, dass sich in der Dissidenz schneller etwas bewegt als im VDH.

Beispiele:

Ein sehr gutes Beispiel für einen Doggenzuchtverein der Dissidenz waren in den 90er Jahren die Freunde Deutscher Doggen in Berlin.
Der "FDDB" erkannte bereits Anfang der 90er Jahre den Grautiger auf Ausstellungen und begrenzt auch für die Zucht an.
Die "Freunde Deutscher Doggen" waren auch offen für andere Hunderassen. Besonders hervorzuheben war das Anliegen von Annegret Strakon die Rasse "Französische Bulldogge" ohne Atemprobleme zu züchten. Um dieses Ziel zu erreichen wurden mit Erfolg andere Rassen eingekreuzt.
Diese "freiatmenden französischen Bulldoggen" sind etwas größer und sehr vital.
Leider haben sich die "Freunde Deutscher Doggen" aufgelöst. Die Mitglieder haben sich auf andere Rassehundezuchtvereine der UCI verteilt.

Ein weiteres Beispiel ist die Wiederbelebung des "Saupackers" auf der Basis der Deutschen Dogge.
Es handelt sich in diesem Fall nicht um Doggenmixe, sondern um die Wiederbelebung des Vorgängers der Deutschen Dogge auf der Basis eines eigenen Rassestandards.

Deutsche Doggen vom Gehrensee:

Die Deutschen Doggen vom Gehrensee gehören nach der obigen Definition ebenfalls zur Dissidenz.
Hier geht es nicht darum den für Deutsche Doggen gültigen FCI-Standard umzuschreiben.
Die Harlekinreinzucht "vom Gehrensee" ist mehr oder weniger eine Sanierungszucht bei der die Zuchtschwerpunkte anders verteilt sind.
Es geht in erster Linie um selbstbewußte, gesunde Doggen mit einer vorzüglichen Eignung als Begleithund.
Wenn der VDH mehr oder weniger von seinen Ausstellungen profitiert, spielt die reine Schönheitszucht bei den Gehrenseedoggen eine untergeordnete Rolle.
Es wird mehr Wert gelegt auf ein sehr gutes Wesen und eine hohe Vitalität verbunden mit einer robusten Gesundheit.
Dabei wurden Zuchtmethoden aus der "Leistungszucht landwirtschaftlicher Nutztiere" übernommen um vorhandene Probleme durch Inzucht (sprich Championzucht) zu kompensieren.
Konkretere Hinweise dazu können sie dieser Webseite entnehmen.

Autor: G. Dießel

Nachdruck u. Übernahme, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autors. © Dez.2010